Röntgen-Rasterapparatur
Ortsaufgelöste
Polfigurmessung, Texturkartographie
und Mikro-Röntgenfluoreszenzanalyse
Die
energiedispersive Röntgenbeugung (ED XRD) ist eine äußerst vielseitige Methode [1]. Aus der Verschiebung und der Verbreiterung der Beugungspeaks können lokale Gitterdehnungen mit guter
Ortsauflösung ermittelt werden. Das Verfahren ist somit eine Grundlage für die Messung lokaler Eigenspannungen erster und zweiter Art. ED XRD ermöglicht die ortsaufgelöste Messung von Pofiguren [2] und
Elementkonzentrationen (Mikro-Röntgen-Fluoreszenz-Analyse, Mikro-RFA). Die Funktion eines energiedispersiven Detektors entspricht einem ortsempfindlichen Detektor in der konventionellen Röntgenbeugung. Für die Energie von
Beugungspeaks gilt nach der Bragg-Gleichung Ehkl =
n h c/(2 dhkl sin ϑ). Dabei
ist h die Plancksche Konstante und c die Lichtgeschwindigkeit, dhkl sind
die Netzebenenabstände. Der Winkel 2ϑ zwischen
dem "weißen" Primärstrahl und dem Blickwinkel des Detektors ist für
alle Reflexe eine Konstante. Die Trennung der Peaks erfolgt
energiedispersiv. Der Detektor misst die Intensität an einem so vorgegebenen Polfigurpunkt P(α, β) simultan für mehrere Netzebenen {hkl}, welche die Bragg-Bedingung erfüllen.
Nach
erfolgreichen ersten Versuchen [3] wurde eine Röntgen-Rasterapparatur
aufgebaut und zu einem leistungsfähigen automatischen Messsystem
entwickelt, das speziell die Untersuchung der Verteilung der lokalen
Textur in frei in Größe und Form definierbaren Probenbereichen ermöglicht [4]. Sie besteht aus einem kommerziellen Röntgengenerator und einer offenen rechnergesteuerten Eulerwiege mit x-y Probentisch (Philips X'Pert).
Der energiedispersive Detektor, zum Beispiel ein Peltier-gekühlter Bruker
X'Flash-Detektor, ist auf den 2ϑ-Kreis des Goniometers montiert.
Für die Texturkartographie muss die globale Textur mit ihren Vorzugsorientierungen bereits im Voraus bekannt sein. Daher sind vor der eigentlichen Texturkartographie zunächst Polfigurmessungen und eine Texturanalyse mit Bestimmung der ODF (Orientierungsverteilungsfunktion) durchzuführen. Ein Umsetzen und Nachjustieren der Probe ist in dem hier entwickelten Kombinationsgerät nicht erforderlich. In der Regel werden die Polfiguren mit einer
Ortsauflösung von etwa 0,2 bis 4 mm aufgenommen. Dadurch erhält man einen Überblick über die wichtigsten kristallographischen Vorzugsrichtungen bezogen auf einen ausgewählten Bereich der Probe. Einzelne interessierende Polfigurpunkte, die bestimmten Richtungen der Netzebenennormalen entsprechen, werden dann für die Texturkartographie ausgewählt. Meist sind dies signifikante Maxima in der Polfigur, die auf eine Vorzugsorientierung bestimmter Kristallite hinweisen. Entsprechend dieser Polfigurmaxima
werden dann Dreh- und Kippwinkel der Probe in der Eulerwiege eingestellt. Die örtliche Verteilung dieser Poldichten wird durch eine Rastermessung
aufgenommen (= Texturkartographie), indem die Probe bei feststehender Goniometereinstellung und unter der feststehenden Röntgensonde
schrittweise verschoben wird. Die Schrittweite des frei definierbaren Probenmessrasters des rechnergesteuerten x-y Probentisches wird an
den Durchmesser der Röntgensonde auf der Probenoberfläche angepasst.
In der Dissertation von Armin Fischer [5] wird an einem breiten Spektrum von Beispielen gezeigt, dass Texturinhomogenitäten in nahezu allen Materialien auftreten, die einen Verformungs- oder Wärmebehandlungsprozess durchlaufen haben. Beispiele sind eine Münzprägung, Schlagbuchstaben in einem massiven Aluminiumblech, eine gratgewalzten Probe, ein gewalzter Titan-Nickel-Einkristall, eine Elektronenstrahl-Schweißnaht,
eine Reibschweißnaht, ein warmstranggepresster und anschließend kaltgezogener Kupfer-Eisen-Verbundwerkstoff sowie eine Gesteinsfaltung in einer geologischen Hämatit-Probe. Für einen Aluminium-Niet wird neben der Texturverteilung auch die Verteilung der lokalen Gitterdehnungen mit guter Ortsauflösung gemessen und kartographiert. In Materialien, die mehrere Elemente enthalten, kann simultan zur Texturverteilung die Elementverteilung lokal bestimmt werden (Mikro-RFA).
Die Ortsauflösung ist in allen Anwendungsfällen vom verwendeten
Durchmesser der Primärstrahlblende abhängig und beträgt etwa 20 bis 100
µm. Noch kleinere Blendendurchmesser sind mit konventionellen
Röntgen-Generatoren aus Intensitätsgründen nicht praktikabel.
Eine
Kapillaroptik im Primarstrahl kann bei kleinen Sonden zu einem
wesentlichen Intensitätsgewinn führen. Allerdings wäre die Beschneidung
des kontinuierlichen Primärstrahlspektrums durch die spektrale Filterwirkung ein Nachteil für ED XRD. Eine sehr hohe Ortsauflösung unter 0,1 µm wird in der energiedispersiven Beugung mit Synchroton-Strahlung erreicht. Ein großes
Potential versprechen energiedispersive Multiarray-Detektoren. Synchotron-Apparaturen sind in der materialwissenschaftlichen Forschung zu einem enormen Beitrag in der Lage. Sie stehen aber weltweit
nur einer Handvoll Wissenschaftlern zur Verfügung.
Trotz der
schnellen Weiterentwicklung elektronenmikroskopischer Texturmessverfahren
können in einigen Anwendungen die Texturverteilungen nur mit einer
Röntgenrasterapparatur untersucht und in Verteilungsbildern kartographiert werden. Beispiele sind stark verformte, sehr feinkörnige oder für die
Elektronenmikroskopie ungeeignete Proben, wenn diese nicht vakuumfest sind oder durch den Elektronenbeschuss zerstört werden.
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[1] E. Laine und
I. Lähteenmäki: The energy dispersive X-ray diffraction method: Annotated
bibliography 1968-78.
Journal of Materials Science 15 (1980) 269-277
[2] J.A.
Szpunar: Energy dispersive diffractometry for quantitative texture
studies.
Textures and Microstructures 12 (1990)243-247
[3] Download R.
Schwarzer: Röntgen-Rasterapparatur zur Aufnahme von
Textur-Verteilungsbildern mittels energiedispersiver Beugung.
BEDO 22 (1989) 283-288
[4] Download R.A.
Schwarzer: Texture mapping by scanning X-ray diffraction and related
methods. pp. 50-65
in: A.K. Singh (ed.): Advanced X-ray Techniques in Research and Industry.
IOS Press, Amsterdam, The Netherlands, 2005 ISBN: 1-58603-537-1
[5] Download A.H.
Fischer: Ortsaufgelöste Polfigurmessung, Texturkartographie und Mikro-Fluoreszenzanalyse. Dissertation, TU Clausthal, 1998
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